Evangelisch-reformierte Bethlehemsgemeinde

 

Das frühere Kirchengebäude

 

In den 1730er Jahren wurde die Bethlehemskirche an der Mauerstraße nach Plänen und unter der Leitung von Friedrich Wilhelm Diterichs (1702–1782) für die böhmischen Glaubensflüchtlinge, die nach Berlin gekommen waren, erbaut. Nachdem sich die böhmische Gemeinde 1747 in drei verschiedene Gemeinden aufgespalten hatte (in eine evangelisch-reformierte und eine evangelisch-lutherische Gemeinde sowie die evangelische Brüdergemeine), wurde die Bethlehemskirche von den Lutheranern und den Reformierten als Simultankirche genutzt.


Die 1737 eingeweihte Rundkirche hatte einen Durchmesser von etwa 16 m und eine Höhe von etwa 36 m. Der Raum verfügte über 600 Sitzplätze. Die Bethlehemskirche besaß zwei Glocken, deren Kosten das Königshaus übernommen hatte. Eine Orgel erhielt die Bethlehemskirche im Jahr 1753. Sie stammte von Johann Peter Migendt. Am 24. November 1943 wurde die Bethlehemskirche bei einem alliierten Luftangriff zerstört und nach dem Krieg abgetragen.


Ihren Namen erhielt die Bethlehemskirche nach der Bethlehemskapelle in Prag. Dort hatte der Reformator Jan Hus gepredigt. Die aus Böhmen stammenden Glaubensflüchtlinge bezogen sich durch die Namensgebung auf ihre evangelische Tradition. Die Predigtsprache war zunächst tschechisch.


Die Bethlehemskirche stand dort, wo die Krausenstraße in die Mauerstraße einmündet. Früher hieß der Platz Hammelmarkt. Seit 1999 heißt er Bethlehemkirchplatz, um an die Bethlehemskirche zu erinnern. Auf dem Boden ist der Grundriss der früheren Bethelehemskirche im Straßenpflaster durch farbige Steine kenntlich gemacht worden. Neben dem Grundriss steht die Skulptur „Houseball“ von Claes Oldenburg (1929– ) und Coosje van Bruggen (1942–2009). Sie erinnert daran, dass die Glaubensflüchtlinge nur mit dem Allernötigsten, das heißt einem Bündel mit Hausrat in Berlin ankamen.

2012 wurde über dem Grundriss der Kirche durch den spanischen Lichtkünstler Juan Garaizabal (1971– ) eine Freiluftinstallation der ursprünglichen Form der Kirche als ephemeres Kunstwerk aufgebaut. Die Installation ist 30 m hoch über einem Rechteck von 24 x 21 m auf Metallwürfeln erbaut. So lässt sie sich, obwohl sie im Boden verankert ist, wieder problemlos und ohne die darunter liegende Gedenkstätte zu beschädigen entfernen. Momentan ist die Installation bis Ende 2013 genehmigt. Es gibt einen Unterstützerkreis, der sich für den dauerhaften Verbleib der Installation an diesem Ort einsetzt. Die Finanzierung ist jedoch nicht geklärt.

Das heutige Kirchengebäude

 

Das heutige Kirchengebäude der Bethlehemsgemeinde ist das ehemalige Schulhaus der Gemeinde. 1749 erlaubte das „Departement der geistlichen Affairen der böhm. Ref. Gemeinde“ den Bau eines eigenen Schulhauses. 1750 wurde der Gemeinde dazu das Grundstück zur Verfügung gestellt. Im Dezember des Jahres 1751 war das Schulhaus fertiggestellt. Da zu der reformierten Gemeinde in Rixdorf zu wenige Kinder gehörten, konnten auch die Kinder lutherischer Konfession das Schulgebäude besuchen. Das Gebäude wurde von beiden Gemeinden auch als Bethaus genutzt. Wie das große Kirchengebäude an der Mauerstraße war auch das Bethaus in der Richardstraße eine Simultankirche.


Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts sollte das sehr baufällig gewordene Gebäude renoviert und den gestiegenen Schülerzahlen durch Umbau angepasst werden. Vermutlich durch das Gnadengeschenk des Königs Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) von 500 Talern konnte das alte Gebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Dieser Bau ist das noch heute als Kirche für die reformierte Gemeinde dienenden Haus.


Das sechsachsige Gebäude wurde von 1835–1837 erbaut. Es handelt sich um einen normierten Bau, der der Ausführungsplanung des Baudepartements Seidel jun. unterlag. Hatte der Vorgängerbau noch mit dem Giebel zur Straßenseite gestanden, so wurde das Haus nun mit dem Dach zur Straße hin, also traufständig, ausgerichtet. An der Straßenseite imitiert der Putz eine Quadergestaltung.


Eine Besonderheit des Gebäudes ist seine Dachkonstruktion. Es handelt sich um ein Bohlenbinderdach. Für die Konstruktion von Dachstühlen wurde statt dem wertvollen Langholz das sogenannte Krummholz genutzt. Das heißt, es wurden kurze Hölzer durch besondere Techniken miteinander verbunden. So ergab sich die hohe Dachform. Diese Konstruktion wurde durch den Berliner Baudirektors des Ober-Bau-Departements David Gilly (1745–1808) gefördert. Aufgrund der handwerklichen Schwierigkeiten beim Bau dieser Konstruktion konnte sie sich nicht durchsetzen. In Berlin und Brandenburg gibt es heute nur noch 130 Gebäude mit Bohlenbinderdächern. Aus diesem Grund steht das Kirchengebäude der evangelisch-reformierten Bethlehemsgemeinde unter Denkmalschutz. Gedeckt ist das Dach mit roten Biberschwanzziegeln in aufwendiger Kronendeckung.


Der ursprüngliche Klassenraum für 40 Schüler (Es gab 1835 zwei Klassen mit jeweils etwa 40 Schülern) und Betsaal der reformierten und der lutherischen Gemeinde ist der heutige Betsaal der reformierten Gemeinde. Im übrigen Teil des Erdgeschosses gab es eine Wohnung für den Schullehrer mit zwei Zimmern und einer Küche. Heute sind dort der Gemeinderaum für kleinere Veranstaltungen und die Presbyteriumssitzungen, das Büro des Pfarrers sowie eine Küche und Toiletten untergebracht. Im Obergeschoss gab es ursprünglich vier Dachstuben. Heute ist dieser Teil des Gebäudes als Wohnung vermietet.


Nach dem Verlust der Bethlehemskirche in der Mauerstraße und einem großen Pfarr- und Gemeindehaus in der Yorkstraße war das Gebäude in der Richardstraße das einzig erhaltene Gebäude der Gemeinde und somit fortan der Gottesdienstort und das Zentrum der evangelisch-reformierten Bethlehemsgemeinde. Auch das Haus in der Richardstraße hatte einige Kriegsschäden, da in unmittelbarer Nähe eine Luftmine explodiert war. Die Schäden konnten aber zunächst notdürftig, zwischen 1946 und 1951 professionell behoben werden. 1951 wurde auch eine Toilettenanlage eingebaut.


1953 wurde das alte Stallgebäude als Schuppen wiederaufgebaut. Durch Kriegseinwirkungen war der Stall stark beschädigt worden und war schließlich eingestürzt. 1963–1964 kam ein an böhmischen Vorbildern orientierter, neben dem Kirchengebäude stehender hölzerner Glockenturm hinzu. Der Turm ist acht Meter hoch und mit Nadelholzbrettern verkleidet. Das zwei Meter hohe Zeltdach ist mit Schiefer eingedeckt.


Der Betsaal zeichnet sich durch seine schlichte Ausgestaltung in Weiß, Braun und Grau aus. Hinter dem Abendmahlstisch hängt eine Tafel mit der ersten Frage und Antwort aus dem Heidelberger Katechismus, der populärsten Bekenntnisschrift der Reformierten. Auf dem Abendmhalstisch liegt eine aufgeschlagene Bibel. Im Betsaal erinnert eine Tafel mit einem Spruch Jan Hus’ an die Geschichte und den Ursprung der Bethlehemsgemeinde. In dem tschechischen Text, der eine Auslegung der Bibel (Joh 8,31–32) ist, ruft Hus die Menschen zur Wahrheitsliebe und zur Verteidigung der Wahrheit auf. Im Foyer der Kirche steht eine von zwei Glocken der früheren Bethlehemskirche. Dort steht auch ein Modell dieses Gotteshauses.