Geleitwort des Monats
März 2023
Die Worte des Monats geben Halt und informieren Sie über theologische Aspekte. Dieses Mal sind die Worte von Anett Kolaschinsky.
Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? - Röm 8,35
Heute kommt das „Nachgedacht“ einmal nicht vom Pfarrer. In der Klausur unseres Presbyteriums kam die Idee auf, es könnten auch gelegentlich Gemeindeglieder an dieser Stelle ihre Gedanken niederschreiben. Ich mache heute den Anfang mit einem Text zum Monatsspruch März: „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“ Diese Frage stellt der Apostel Paulus im Brief an die Römer. Er stellt diese Frage rhetorisch, denn seine Antwort gibt er auch: Nichts. Nichts kann uns scheiden von der Liebe Christi.
Von welcher Art Liebe aber spricht Paulus? Um dem nachzugehen, möchte ich von der Liebe reden, die ich unter Menschen erlebe. Und da gibt es manch sicheren Weg zur „Scheidung“. Sehr effektiv ist es zum Beispiel von dem Menschen, den man gern hat oder liebt, stetes Wohlverhalten zu erwarten. Also das, was man selbst unter Wohlverhalten versteht. Wenn ich erhoffe, dass sich die Menschen in meinem Umfeld so verhalten, wie ich es mir von ihnen wünsche, oder wenn ich gar noch von ihnen erwarte, dass sie meine Ideen ohne Vorbehalt unterstützen, dann sind wir ganz schnell „geschiedene Leute“. Und zu Recht.
Die anderen erwarten ja auch von mir, dass ich vorbehaltlos auf sie schaue und versuche, ihr Handeln zu verstehen. Sie erwarten von mir, dass ich sie in ihrer Andersartigkeit und Besonderheit akzeptiere. Das fällt mir nicht immer leicht. Denn das für mich befremdliche Verhalten macht mich unsicher: Was denkt der/die Andere eigentlich wirklich über mich? Mag er mich oder kann sie mich überhaupt leiden?
Und wie gehe ich dann damit um, dass Menschen sich oft anders verhalten, als ich es von ihnen erwarte oder wünsche. Auch Menschen, die ich schon lange kenne. Sie überraschen mich immer neu mit Ansichten und mit Handlungen, die ich nicht verstehen kann. Soll ich mich darüber ärgern, dass sich mein Gegenüber anders verhält, als ich es mir wünschte? Ist dieser „Ärger“ nicht schon das Ende von Zuneigung, gar von Liebe? Sollte ich ihn zulassen und es auch meinem Gegenüber zeigen, vielleicht gar in der Hoffnung, dass er sich beim nächsten Mal angepasst an meine Wünsche verhält? Oder zerstört nicht gerade dieses, also mein Verhalten, die Beziehung, weil ich von meinem Gegenüber etwas erwarte, was dieser gar nicht leisten kann oder möchte?
Beziehungen unter Menschen so lebendig zu erhalten, dass sie einem gut tun, ist wirklich schwer. Durch das für mich unerwünschte Verhalten meines Gegenübers gibt es plötzlich eine Distanz zwischen uns. Gerade eben war alles noch in Ordnung, aber nun ist die Har- monie gestört. Eine Kluft zwischen uns entsteht. Aus Zuneigung, gar aus Liebe, entsteht Abstand, der größer und größer werden kann. Und die Ursache scheint mir zu sein: Dass ich von der, die ich mag oder dem, den ich liebe, erwarte, dass er genau so denkt und fühlt wie ich.
Bei Gott ist das anders. Dieser Gedanke zieht sich durch den ganzen Römerbrief, das haben wir im freitäglichen Bibelgespräch immer wieder gemerkt. Im Kapitel 8 schreibt Paulus: „Denn ich bin mir gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Gewalten, weder Hohes noch Tiefes noch irgendein anderes Geschöpf vermag uns zu scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (38.39). Diese Liebe scheint mir etwas ganz anderes, viel Größeres zu sein als Liebe unter Menschen.
In der Bibel ist zu lesen, dass Gott auf all unsere Vorwürfe, auf unser mangelndes Verstehen seiner Handlungen, auf unseren Zorn auf ihn, auf unseren Abstand zu ihm nicht mit der Forderung nach unserer Liebe zu ihm reagiert, sondern mit SEINER Liebe zu uns. Weil wir nicht zu ihm gehen, kommt er zu uns: In Christus, der uns zeigt, was Liebe in Wahrheit ausmacht.
Wir können uns selbst von unserer Liebe zu Gott zu scheiden. Wir tun das zum Beispiel, indem wir von ihm erwarten, dass er sich so verhält, wie wir es uns wünschen. Aber die Liebe Gottes zu uns kann das nicht erschüttern. Wenn ich lernen möchte, was Liebe in Wahrheit ist, also wie Gottes Liebe ist, kann ich auf Jesus Christus sehen, seine Worte hören, sein Handeln wahrnehmen. Ich kann versuchen, zu begreifen, dass er sich für die Liebe Gottes zu uns Menschen sogar ans Kreuz nageln lässt. Und dann kann ich dieser Art der Liebe nachfolgen. Einer Liebe, die nicht das Ihre sucht (1. Kor 13,4-7).
Ich finde, Nena bringt in einem Lied das, was Liebe in Wahrheit ist, gut auf den Punkt:
Liebe soll nicht / Liebe kämpft nicht Liebe wird nicht / Liebe ist
Liebe sucht nicht / Liebe fragt nicht Liebe ist / So wie du bist
("Liebe ist", Text: Nena Kerner)
Solche Liebe zu erleben wünsche ich Ihnen.
Quelle: Gemeindebrief Reformierte Gemeinde im Havelland, März-Mai 2022. Anett Kolaschinsky