Geleitwort des Monats
Mai 2023
Die Worte des Monats geben Halt und informieren Sie über theologische Aspekte. Dieses Mal sind die Worte von Pfarrer Jürgen Kaiser
Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag. - Spr 3,27
Klar, mach ich! Ich weigere mich nicht. Ich helfe doch gern. Ehrensache! Man ist ja kein Unmensch.
Aber wenn es konkret wird, habe ich dann doch ein paar Fragen: Wer ist eigentlich bedürftig? Wer braucht denn wirklich Hilfe von mir? Wir leben in einem funktionierenden Sozialstaat. Wer ist Not ist, bekommt Hilfe. Für fast alle echten Bedürfnisse wird gesorgt, kaum einer, der durch das Raster sozialer Transferleistungen fällt. Klar, die fallen nicht vom Himmel, man muss sich kümmern, muss auf Ämter gehen, Formulare ausfüllen, Nachweise erbringen. Die Bedürftigkeit muss geprüft werden. So viel Verständnis muss jeder Bedürftige schon aufbringen. Wer in Not geraten ist, sollte sich zunächst mal selber umsehen, wo man Hilfe erhalten kann. Reine Bequemlichkeit will ich nicht fördern. Denn am Ende ist es doch so: Wer bei uns wirklich bedürftig ist, bekommt Hilfe.
Ich will nicht falsch verstanden werden: Es ist ja nicht so, das ich nicht gerne helfe. Wer tut nicht gern Gutes? Aber ich kann schlechterdings nicht allen helfen. Es gibt zu viele, die vor mir die Hand aufhalten. Wenn ich allen etwas gebe, habe ich selbst bald nichts mehr und muss selbst mit dem Pappbecher durch die Wagen gehen. Auch mir steigen gerade alle Kosten über den Kopf. Ich muss selber sehen, wo ich bleibe.
Und dann ist es auch gar nicht so einfach, richtig zu helfen. Wenn jemand Geld von mir will - woher weiß ich, dass er es nicht gleich für Alkohol oder Drogen ausgibt? Ist denn einem geholfen, wenn man seine Sucht fördert? Man müsste einem helfen, sich selber zu helfen. Aber dazu braucht es Fachleute, da bin ich nicht der Richtige.
All diese Fragen sind irgendwie berechtigt. Aber sie können auch Ausreden sein. Pseudorationalisie- rungen der Weigerung, dem Bedürftigen Gutes zu tun. Das Schlimmste, was man einem Bedürftigen antun kann, ist, ihm seine Würde zu nehmen. Ihn also zu bevormunden, besser zu wissen als er selbst, was er braucht, was ihm gut tut und was ihm hilft. Deshalb: Überlege nicht zu lange, wenn du gefragt wirst. Hilf spontan und tu es gleich! Hilf, wenn du kannst! Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag!
Quelle: Gemeindebrief Französische Kirche Berlin, Mai 2023. Jürgen Kaiser