Geleitwort des Monats

November 2022

Die Worte des Monats geben Halt und informieren Sie über theologische Aspekte. Dieses Mal sind die Worte von Pfarrer Jürgen Kaiser

Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen! - Jes 5,20

Wie sehr man die Wahrheit verdrehen kann, sehen wir seit dem 24. Februar. Putin überfällt ein Nachbarland und nennt es eine militärische Spezialoperation. Er lässt Bomben auf Krankenhäuser werfen und Raketen in Wohnhäuser und spricht von einer Befreiung. Er behauptet, die Ukraine werde von Nazis regiert, obwohl ihr Präsident Jude ist. Er gibt vor, die Menschen wollten zu Russland gehören, obwohl sie ihre Abscheu vor Russland kaum deutlicher zeigen können. Er lässt abstimmen und hält den Wählern die Waffe vor die Nase. Er spricht von einer Umgruppierung seiner Bataillone, obwohl es eine panische Flucht vor dem Gegner war. Er be- hauptet, der Westen wolle Russland zerstören, obwohl er es ist, der alle Länder um Russland herum zerstören und seinem Land einverleiben will. Putin ist ein Lügner und zwingt alle anderen auch zur Lüge. Wer die Wahrheit sagt, kommt ins Gefängnis. Die Menschen in Russland erfahren über diesen Krieg ganz anderes als wir. Sie werden belogen.
Oder werden wir belogen? Werden unsere Medien manipuliert? Haben sich die Meinungsmacher auf Putin eingeschossen, damit er als der Böse erscheint und die Nato einen Krieg gegen Russland anzetteln kann? Ist das, was wir hören und lesen, die Wahrheit oder nicht doch auch Propaganda?
Es gibt Menschen, die sich das fragen. Sie beschimpfen unsere Medien als „Lügenpresse“. Wenn die Wahrheit nicht mehr offensichtlich ist, weil die einen das Gegenteil von den anderen behaupten, fangen manche an, gar keinem mehr zu glauben. Sie misstrauen allen Medien. Weil aber ein Mensch nicht ohne Wahrheit leben kann, reimen sie sich ihre eigene Wahrheit zusammen. Dabei kommen meist wüste Verschwörungstheorien heraus. Im Krieg kommt die Wahrheit unter die Räder. Im Krieg kommt aber auch das Böse wie sonst nie zum Vorschein. Es werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, unschuldige Zivilisten werden ermordet. Es gibt Täter und es gibt Opfer, das darf nicht relativiert werden. Gerade im Krieg muss man an der Wahrheit festhalten, auch wenn sie zunächst schwer zu ermitteln ist, weil die gegenteiligen Behauptungen kaum zu überprüfen sind. Aber es gibt die Wahrheit und es wird einmal herauskom- men, wer die Täter böser Taten und wer die unschuldigen Opfer sind.
So lange das aber noch nicht so ist, muss man vertrauen. Ich glaube unseren Medien. Zwar bringen auch sie Meldungen, die sich nicht überprüfen lassen. Aber sie sind so ehrlich, dass sie das immer dazuschreiben. In meiner Tagesschau-App steht unter Kriegsmeldungen immer: „Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.“
Aber die Wahrheit wird einmal ans Licht kommen. Und dann gilt: „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen.“

Quelle: Gemeindebrief Mitte, November 2022. Jürgen Kaiser